Vorbereitung auf den Tierarzt-Besuch mit ängstlichen, reaktiven oder auch aggressiven Hunden

 

 

 

 

 

Haben Sie einen Hund, der ängstlich, aggressiv oder reaktiv beim Tierarzt reagiert? Es lohnt sich, sich im Vorfeld einige Gedanken dazu zu machen, wie man sich und den Hund gut auf den Termin vorbereiten kann, damit der Besuch für den Hund, für den Tierarzt und für einen selbst möglichst stressfrei ablaufen kann.

 

 


 

Oft gehen Hunde als Welpen oder Junghunde noch sehr gerne zum Tierarzt mit und freuen sich, weil sie da Leckerchen bekommen. Umso mehr, wenn sie von der Tierärztin oder dem Tierarzt liebevoll behandelt werden. Bei meinem Hund Loup war das zu Beginn auch so. Jedoch wurden die Besuche beim Tierarzt für ihn regelrecht zur Tortur, nachdem er in der Klinik von einer Ärztin an seinem gebrochenen Zeh sehr rabiat behandelt und abgetastet wurde. Von da an wurde Loup – verständlicherweise - immer sehr nervös und hibbelig, wenn wir zum Tierarzt gingen und wollte sich auch nicht mehr untersuchen lassen. Wir gingen deshalb möglichst gar nicht mehr zum Tierarzt und wenn es nötig war, dann musste ich Loup mit viel Körperkraft fixieren, auch wenn der Tierarzt ihn nur mal anfassen oder abtasten sollte. Loup hat dann versucht, sich zu entziehen, vom Tisch zu springen, hat laut gefiept und gehechelt und geknurrt.

 

Das ist einer der Gründe, weshalb wir jahrelang nicht mehr zum Tierarzt gingen. Natürlich bestand auch einfach kein Anlass mehr da wir, wenn immer möglich mit natürlichen Mitteln arbeiten und Loup ja eigentlich rundum gesund und munter ist.

 

Um jedoch gewappnet zu sein, falls wir wieder einmal zum Tierarzt müssen, habe ich mir einige Gedanken gemacht, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte.

 

VISUALISIEREN

 

Herausfordernde Situationen versuche ich mir immer vorher zu visualisieren. Als allererstes rufe ich mir den guten Verlauf unseres Besuches immer dann vor Augen, wenn mir in den Sinn kommt, dass wir einen Termin haben. Jedes Mal, wenn ich daran denke, stelle ich mir vor, wie wir beim Tierarzt gelöst und entspannt wieder rauslaufen und wie gut ich mich fühle, weil alles so gut und reibungslos gegangen ist. Dieses Visualisieren beherbergt eine grosse Kraft, denn es führt dazu, dass ich mit positiven Emotionen in den Termin reingehe und das kann der Hund spüren.

 


Denn Loup zum Beispiel liest mich ja den ganzen Tag und wenn ich mit angespannten Muskeln, sorgenvollen Gedanken, vielleicht sogar etwas neben mir stehend mit ihm zum Tierarzt gehe, dann realisiert er, dass etwas nicht stimmt und wird nervös – beziehungsweise nervöser.

 

MEDICAL TRAINING

 

 

Loup kennt die Arbeit mit Markerwort. Er weiss was ich meine, wenn ich eine intermediäre Brücke anwende oder kennt auch ein Keep Going Signal oder die Happy Mat. Das sind alles Tools die man im Medical Training anwenden kann und die in Situationen wie Blutentnahmen dem Hund helfen, eine auch für ihn unangenehme Situation etwas länger auszuhalten. Wenn Sie vor dem nächsten Termin genug Zeit haben, dann informieren Sie sich zum Thema Medical Training. Am effizientesten werden Sie die Tools wahrscheinlich aufbauen können, wenn sie mit einem Trainer arbeiten, der sich damit auskennt. Ich stehe Ihnen da natürlich gerne zur Verfügung. Nichts desto trotz hat Medical Training auch seine Grenzen. Wenn der Hund bereits in der Panik ist, wird das vorgängige Training wahrscheinlich nicht helfen. Es gilt also, den Hund so vorzubereiten, dass er gar nicht erst in Panik, Flucht oder Aggression verfällt.

 

LECKERCHEN

 

Machen Sie sich zuvor auch Gedanken darüber, ob und welche Leckerchen Sie zum Tierarzt mitnehmen. Sind sie zu hochwertig, kann es sein, dass der Hund hibbelig wird. Manche Hunde können auch gar keine Leckerchen mehr nehmen, weil sie so aufgeregt sind. Allenfalls geht es dann noch mit einer Schlecktube. Schlecken beruhigt und ist eine gute Möglichkeit, den Hund in einer Position bei der Stange zu halten.

 

GENUG ERHOLUNG UND SCHLAF ALS VORBEREITUNG

 

Der Hund sollte mindestens 17 Stunden am Tag schlafen und ruhen können. Das gilt ganz besonders für Tage, an denen sehr viel Impulskontrolle und Energie gefordert ist. Achten Sie darauf, dass der Hund vor einem Tierarzt-Termin genug Ruhe und Schlaf bekommt und planen sie keine aussergewöhnlichen Aktivitäten.

 

IMPULSKONTROLLE AUFLADEN

 

Vor dem Tierarzt-Termin halten wir die Tagesroutine ein, die Loup am einfachsten fällt. Es passiert also nichts Neues, er bekommt so eine grosse Vorhersagesicherheit was den Tagesablauf angeht. Die Spaziergänge finden in gewohntem Territorium statt und sind angemessen lang und in gemütlichem Tempo. Impulskontrolle lässt sich dadurch aufladen, dass mal eine Weile lang nicht viel davon benötigt wird. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten, dann lesen Sie gerne auch meinen Blogbeitrag zu dem Thema. Es ist also wichtig, am Tag vor dem Tierarztbesuch keine aussergewöhnlichen Aktivitäten wie Wanderungen, Besucher oder Besuche bei anderen, keine Hundeschule oder anderweitige Aktivitäten mit Hund wie Hundesport zu betreiben, denn das benötigt alles seine Energie und wir möchten diese möglichst für den Besuch beim Tierarzt zur Verfügung haben. Auch ständiges Trainieren über den Tag verteilt kann zu Stress führen.

 

MAULKORBTRAINING AUF DIE SANFTE WEISE

 

Falls Sie Ihrem Hund einen Maulkorb angewöhnen müssen, machen Sie das bitte früh genug und mit positivem Training. Gerne verlinke ich Ihnen hier ein Video zum Hundetrainer Chirag Patel und dem «Muzzle Training», in dem Sie sehen, wie man das aufbauen kann: https://www.youtube.com/watch?v=1FABgZTFvHo. Es benötig etwas Timing und Zeit und Geduld. Wenn Sie diesen Prozess alleine nicht machen können oder möchten, dann wenden Sie sich auch da an mich oder an einen positiv arbeitenden Hundetrainer.

 

KEIN "AUFHÜBSCHEN" VOR DEM TERMIN

 

 

Für viele, gerade sehr empfindliche Hunde, ist das Bürsten und Kämmen des Fells unangenehm und sie mögen es nicht besonders. Sie müssen also Impulskontrolle zeigen, wenn Sie trotzdem hinhalten. Natürlich möchte man, dass der Tierarzt einen guten Eindruck von seinem Hund und auch von seinem Pflegezustand hat, was dazu verleiten könnte, ihn am Tag vor dem Termin oder kurz vorher noch einmal durchzukämmen. Bedenken Sie dabei, dass genau das ihn wichtige Impulskontrolle kostet, die er eigentlich danach beim Termin benötigen würde. Ebenso das Krallenschneiden oder andere kosmetische Massnahmen sollten Sie nicht kurz vor dem Termin durchführen. Planen Sie das in der Vorwoche oder mindestens 3 Tage vor dem Termin und dann lassen Sie ihren Hund damit in Ruhe.

 

VORBESPRECHUNG OHNE HUND

 

Bei vielen Hunden steigert sich die Nervosität aufgrund der Gerüche, der fremden Menschen, allenfalls anderer Tiere im Angstzustand bereits vor dem Termin ins Unermessliche. Eine Möglichkeit ist es, den Hund noch im Auto zu lassen, wenn man auf den Tierarzt im Wartezimmer warten muss. Dazu sollte sich der Hund natürlich im Auto wohl fühlen. Sprechen Sie das bereits bei der Terminvereinbarung an, und fragen Sie bei Ihrem Tierarzt vorher nach, ob das in Ordnung geht. Mit sehr ängstlichen Hunden lohnt es sich, einen Doppeltermin zu vereinbaren, damit sich der Tierarzt genug Zeit nehmen kann. Natürlich kostet das etwas mehr, aber das ist es Wert, wenn man es dafür schafft, dass der Termin für den Hund dadurch einfacher wird.

 

HAPPY VISITS

 

Wenn Sie einen Hund haben, der all diese Massnahmen benötigt, dann empfehle ich Ihnen, direkt heute mit sogenannten Happy Visits zu beginnen. Suchen Sie sich einen Tierarzt und fragen sie nach, ob es möglich ist, mit dem Hund für Besuche vorbeizukommen, ohne dass der Tierarzt involviert ist. Zu Beginn fahren Sie für die ersten Termine lediglich auf den Parkplatz der Praxis oder der Klinik und machen nur tolle Sachen: Kekse streuen, etwas suchen, etwas spielen – Hauptsache der Hund bleibt dabei entspannt und hat Spass. Bei Loup bedeutet das für die ersten Termine sogar, dass er im Auto bleiben darf und da Kekse kriegt – und dann fahren wir wieder weg.


 

Denn Loup erkennt auch bei einer fremden Tierarztpraxis bereits auf dem Parkplatz, dass er da nicht aussteigen möchte. Es gilt also herauszufinden, mit welchem Abstand der Hund noch entspannt bleiben kann und das übt man dann ein paar Mal. Wenn das gut geht, dann kann man auch mal in die Praxis rein- und wieder rauslaufen. Im Wartezimmer Kekse streuen und einfach etwas sitzen und dann wieder gehen. Wenn das gut läuft, dann kommt die Kontaktaufnahme mit den Praxisassistentinnen, welche ebenfalls zu Beginn nur Kekse geben oder ein wenig streicheln, wenn der Hund das mag. So arbeitet man sich langsam in das Behandlungszimmer vor, bis irgendwann auch der Tierarzt dazu kommt. Bei unserer Praxis dürfen wir das alles übrigens gratis machen. Erst wenn der Tierarzt zum Einsatz kommt, wird etwas verrechnet. Fragen Sie vorher nach, zu welchen Zeit es für die Praxis am wenigsten belastend ist, wenn Sie nur vorbeikommen um zu üben.

 

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei den Vorbereitungen und dass sie Ihrem Hund helfen, diese herausfordernden Situationen künftig besser auszuhalten.

 

Von Herzen alles Gute für Sie und Ihre Haustiere!

 

Manuela Peter

 


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